BEWEGUNGSCHARAKTERE IN DER MUSIK ZWISCHEN 1740 und 1840
(nach zeitgenössischen Quellen zusammengestellt von Wolfgang Weller)
GRUNDSÄTZLICHES
Die Lebhaftigkeit des Allegro wird im allgemeinen in gestoßenen (staccato), das Zärtliche des Adagio
in getragenen (portato) und geschleiften (legato) Noten dargestellt. Der Grad der Bewegung
läßt sich sowohl nach dem Inhalt des Stückes, den man durch gewisse italienische Kunstwörter anzuzeigen pflegt, als auch aus den geschwindesten Noten und Figuren darin beurteilen.
Faustregel: weder im Allegro übereilend, noch im Adagio zu schläfrig.
ALLEGRO
Das Wort Allegro hat im Gegensatz zum Adagio eine weitgefaßte Bedeutung. Es werden darunter vielerlei Arten von geschwinden Stücken verstanden, z. B:
Allegro Allegro moderato
Allegro con brio Allegro vivace
Allegro assai Vivace
Allegro di molto Allegretto
Allegro non presto Presto
Allegro ma non tanto Prestissimo
Allegro ma non troppo (usw.)
Folgende Affekte werden mit „Allegro” bezeichnet:
- Ruhig, sanft und
einschmeichelnd
- Tiefsinnig oder schwärmerisch
- Schwermütig oder harmonisch verwickelt
- Majestätisch, großartig und
erhaben
- Brillant, jedoch ohne Anspruch auf allzu große
Bewegung der Geläufigkeit.
- Leicht, munter und scherzend
- Rasch und
entschieden
- Leidenschaftlich bewegt, oder fantastisch und
launig
- Stürmisch schnell, im ernsten wie im fröhlichen
Sinne
- Sehr wild, aufgeregt und ausgelassen, oder furios
Der Hauptcharakter des Allegro ist Munterkeit und Lebhaftigkeit. Die geschwinden Passagen müssen rund, proper, lebhaft, artikuliert und deutlich gespielt werden. Die Geltung der Noten
muß beachtet werden, das Eilen und Zögern vermieden werden. Besondere Vorsicht bei schleifenden Noten vor Übereilung! Bei jedem 4tel an das Zeitmaß denken! Die erste Note einer geschwinden Figur
ein wenig markieren und anhalten, weil ja auch die Hauptnoten ein wenig länger als die durchgehenden gehört werden müssen. Bei aller zum Allegro erforderlichen Lebhaftigkeit darf man sich
nie aus seiner Gelassenheit bringen lassen. denn alles, was übereilt gespielt wird, verursacht dem Zuhörer eher Ängstlichkeit als Zufriedenheit. Man muß immer den Affekt, den man
auszudrücken hat, nie das Geschwindspielen zu seinem Hauptzweck machen.
Die Affekte (Leidenschaften) wechseln im Allegro wie im Adagio öfters ab:
- Das Lustige wird durch kurze Noten dargestellt.
- Das Prächtige
wird sowohl mit langen Noten, worunter andere Stimmen eine geschwinde Bewegung machen, als auch durch punktierte Noten dargestellt. Die Punkte werden lang gehalten, die folgenden Noten sehr kurz gemacht.
- Das Freche
wird mit Noten, wo hinter der zweiten oder dritten ein Punkt steht, dargestellt. Dabei darf man sich ja nicht übereilen, damit es nicht gemeiner Tanzmusik ähnlich klingt.
- Das Schmeichelnde
wird durch stufenweise auf- oder niedersteigende schleifende Noten dargestellt; ebenso durch synkopierte Noten.
ADAGIO
Um ein Adagio gut zu spielen, muß man sich in einen gelassenen und fast traurigen Affekt setzen. Ein wahres Adagio muß einer schmeichelnden Bittschrift ähnlich sein.
Zum Adagio gehören: - Cantabile - Arioso
- Affettuoso - Andante
- Andantino - Largo
- Larghetto - Adagio di molto (sehr traurig)
- Lento assai (sehr traurig) - Grave
- Adagio spiritoso - Patetico
Das cantable Adagio darf nicht zu langsam, das traurige
nicht zu geschwind gespielt werden. Besonders langsam werden Sätze in g-Moll, a-Moll, c-Moll, Es-Dur und f-Moll. Ein 2/4 - oder 6/8 - Takt wird etwas geschwinder , ein 2/2 - oder 3/2 - Takt langsamer als der ¾ - Takt gespielt.
Die Verzierungen nie übereilen, sondern immer mit Gelassenheit endigen!
Um 1780 wird das Adagio in Dresden hebender als in Berlin gespielt, in Wien war der Gang aber noch leichter als in Dresden. Konzertsätze wurden in Wien eher als Andante genommen.
Der Vortrag eines langsamen Stückes ist schwieriger als der eines schnellen, so wie langsame Rede bald langweilig wird, wenn sie keinen wichtigen Inhalt hat, oder nicht
wenigstens durch eine richtige, abgemessene und abwechselnde Betonung bedeutend gemacht wird. In der Musik muß der Spieler hier durch schönen Ton, richtige Akzentuierung der Melodie, klare
Vollstimmigkeit und festeres Binden der Harmonie, durch Gefühl, Delikatesse, durch Ausdruck zarter oder erhabener Empfindungen den Hörer zu fesseln wissen.
ANDANTE
Gehend oder schrittmäßig. Mitte zwischen dem Langsamen und dem Geschwinden. Natürlicherweise für Aufzüge, Märsche usw. gebraucht, sonst den Charakter der Ruhe, Gelassenheit und
Zufriedenheit bezeichnend. Die Töne werden also weder so schleppend und ineinander schmelzend wie im Adagio, noch so scharf akzentuiert und abgestoßen wie im Allegro vorgetragen; alles ist
hier gemäßigt, auch die Tonstärke.
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