Von der aktuell (2017) geltenden Konvention nicht gedeckte Bemerkungen zu Klavieristen und Komponisten
A) Komponisten
Johann Sebastian Bach Solider Handwerker und unermüdlicher Arbeiter, die Inspiration aus der Materie beziehend und dadurch sich den direkten Sitz an der Quelle verstellend. Leider wird zu
viel metaphysischer Nebel in seine Musik hinein geheimnist. Zusatz: Die Kunst der Fuge ist primär für das Tasteninstrument konzipiert, wenngleich geeignet für Transkriptionen aller Art.
Johannes Brahms Viel Holz und Leder unter schwüler Alt-Junggesellen-Musik in Rätselform: wo ist die Melodie? Auch der milchjunge Knabe find‘t sie nit.
John Cage No music.
Claude Debussy Sympathischer Rebell gegen das musikalische Spießbürgertum und sensibler Ästhet. Hat die Kunst des Pedales nach Liszt zu Ende entwickelt und der Musik des 20. Jahrhundert
entscheidende Impulse geschenkt. Die Interpreten verfehlen seine Werke in besonders großem Ausmaße hinsichtlich Tempo, Takt und Metrum. So existiert keine Aufnahme seines 24. Préludes, wo auch nur annähernd die
Einhaltung der Notenwerte festzustellen wäre. Aus seiner Feder stammen verhältnismäßig viele Meisterwerke und nur wenige mißglückte Experimentalstücke, die besser im Papierkorb gelandet wären, z. B. das 13. Prélude
oder die 7. Étude. Und warum eine Petitesse wie die 6. Étude künstlerisch wertvoller sein soll als zum Beispiel Dohnányis 5. Etüde, hat noch niemand erklärt.
Joseph Haydn Unerschöpflich fantasievoll in menschenfreundlichster Musik: an der Quelle.
György Ligeti Musikalischer Dandyist mit der Unfähigkeit zu angemessener Selbsteinschätzung, weil zu sehr gelobt. Seiner wenigstens hübsch zu nennenden Regenbogen-Etüde stehen stupide
Machwerke wie die erste Etüde gegenüber: falls einen Komponisten von Geblüt je ein solch aufdringlicher Gedanke anfallen sollte, würde er ihn niemals aufschreiben, sonder möglichst schnell vergessen.
Olivier Messiaen Ende der Musik mit viel al fresco und Geschick, eingerahmt von sozusagen bürokratischer Fantasie. Am besten seine Vingt Regards.
Sergei Rachmaninoff Verfemter des deutschen Akademismus. Hatte als Pianist zu seinen eigenen Werken eine mehr distanziert-sportive als musikalische Beziehung. Eleganter Kontrapunktiker. Eine
einzige seiner drei Symphonien wiegt sämtliche Gustav Mahlers auf.
Maurice Ravel Seine Werke sind von seltsam ungleicher Qualität, wie es bei kaum sonst einem Komponisten der Fall ist. Im Gaspard de la Nuit ist die Ondine ein Meisterwerk und den
ebenfalls ausgezeichneten Jeux d’eaux an die Seite zu stellen; beides Werke in bester Manier der Post-Liszt-Ära. Hingegen ist Le Gibet eine der dichterischen Vorlage entsprechende scheußliche, sich nicht zur
konzertanten Darbietung eignende Etüde für Anschlagsübungen. Und die musikalische Substanz von Scarbo ist so dürftig, daß sich eine Beschäftigung mit dem Stück für musikalische Menschen erübrigt. Die genannten
Klavierstücke sind übrigens nicht annähernd so schwierig zu spielen, wie allgemein gemunkelt wird (Islamey oder eine der großen Liszt’schen Opernfantasien sind deutlich schwieriger, um nur wenige von vielen
möglichen Beispielen zu nennen). Ähnliche Qualitätsunterschiede sind in den Miroirs festzustellen. Gelungene Musik hier: Alborada del gracioso und das Tal der Glocken.
Hugo Riemann Musikalischer Oberlehrer der Deutschen, Vielschreiber aus Not und bedeutungs- aber leider nicht wirkungsloser Phrasenideologe.
Anton Rubinstein Franz Liszts Bemerkungen über diesen kompositorischen Möchtegern ist nichts hinzuzufügen. Pianistisch von großer Tatkraft.
Eric Satie Bornierter, in seine Unfähigkeit verliebter Amateurkompositeur, der bereits nach vier Anfangstakten das Handtuch werfen muß.
Arnold Schönberg Ja, die Österreicher: also wenn schon Arnold – dann Schwarzenegger! Wenn schon Berg – dann Alban! Hat eigentlich schon einmal jemand festgestellt, daß man
dodekaphonisch Komponieren in ein paar Stunden lernen kann?
Anton Webern Ein Konsorte Schönbergs. Seine Variationen op. 27 (über kein Thema): eine unleidliche akustische Frechheit ohne Melodie oder auch nur Melos, ohne Rhythmus, ohne Harmonie,
allenfalls dürre Rechenoperationen. „Werke“ mit dieser Wirkung lassen sich mehrere am Tag entwerfen oder willkürlich klimpern. Reine Schreibarbeit, keine Musik, nur lästiges Geräusch. Die Kunst des Kaisers
neuer Kleider.
Kaikoshru Sorabji Etwas überambitionierter Amateur und Hochstapler von Geblüt. Er trat den Beweis an, daß jeder musikalische Idiot eine Quadrupelfuge zusammennageln kann, wenn er auf
vertikale harmonische Bezüge keine Rücksicht nimmt. Seine Notation bläst er in Ermangelung musikalischer Substanz graphisch ins Maßlose auf – harmlose Naturen sind beeindruckt. Jedoch: zwei Systeme genügen
immer, und auch das spätgotische Küchenlatein läßt sich ohne Substanzverlust aus den Partituren eliminieren. Selbst ein einfaches, kurzes Werkchen wie „In the Hothouse“ gelangt zu keiner Form. Kunst kommt hier
nicht von Können, sondern von Wollen und wird zu – Wulst.
Karl-Heinz Stockhausen Scharlatan der billigsten Sorte. Ungefährlich, weil sofort durchschaubar - ähnlich wie Sorabji, nur nicht so fleißig.
B) Pianisten
Claudio Arrau Der einzige Pianist seines Jahrhunderts, der - wenigstens in seinen späten Jahren - Liszt anständig und angemessen spielte.
Lazar Berman Lazar Berman und die Chaconne von Händel: der Charme und das musikalische Verständnis eines Dampfhammers sind mindestens so überzeugend: tschackónn! – tschackónn!! –
tschackónn!!!
Alfred Cortot Er glaubte zu wissen, wie man Chopin spielt. Das wäre nicht weiter schlimm. Schlimm ist nur, daß eine Menge Leute dasselbe glaubten und noch immer glauben. Er hatte aber weder
große Ahnung von Chopins Poesie noch gar von der rechten Temponahme. Im besten Falle spielte er nicht Chopin, sondern Cortot in Geldnöten steckend.
Marc-André Hamelin Ein Klavierautomat mit dem musikalischen Geschmack des Nokia-Klingeltones.
Valentina Lisitsa Die Dame ist ein treffliches Beispiel dafür, wohin überbordender Übefleiß ohne eigentliche künstlerische Intention, Wissen um historische Hintergründe und Verbindung zu den
heiligen Musen führt: nämlich zum musikalischen Bankrott.
C) Dirigenten
Anonymus Der gute und ernst zu nehmende Dirigent ist derjenige, welcher aus den drei ersten Achteln der fünften Symphonie von Ludwig van Beethoven keine Triole macht und den Rhythmus der
ersten vier Takte erkannt hat.
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