Die Figuren entstanden in der Zeit der „Musica Reservata” und des Madrigals. Nach Cartesius, einem Freund von Mersennus, gibt es 6 Grundformen des menschlichen Affektes: Verwunderung, Liebe, Haß, Verlangen, Freude und Trauer. Durch Mischung lassen sich unendlich viele Nuancen erzielen. Insgesamt sind etwa 150 Figuren bekannt.
Im Folgenden werden die wichtigsten erklärt.
Eine gute Zusammenfassung mit weiteren Literaturangaben findet sich in dem entsprechenden Artikel auf Wikipedia
ABRUPTIO Unerwartetes Abbrechen des musikalischen Kontextes anstelle des Eintretens einer
Auflösung. Ohne rhetorisches Vorbild.. Mit der
Ellipsis verwandt.
a) Bernhard 1650, Walther
1732:
Melodie endet auf der Quarte ohne Terzauflösung und der Baß führt die Kadenz allein zu Ende.
b) Bernhard: Pause statt Verlängerungspunkt.
c) Koch
1802: Abbrechen des Satzes, z.B. als Generalpause
nach Subdominante-Dominante vor der Tonika.
d) Burmeister 1606: =
Aposiopesis.
e) Nucius 1613: =
Homoioteleuton.
f) Janovka: =
Tmesis.
ACCENTUS Gesangsmanier im Rezitativstil um 1600.
a)
Praetorius:
AusfĂĽllung eines Intervallsdurch 1-5 Zwischennoten, deren letzte oft den Zielton vorwegnimmt. Der Accentus kann durch VerkĂĽrzung sowohl der ersten als auch der zweiten Hauptnote gewonnen werden.
b)
Bernhard: „Bey Endigung einer Note mit
einem gleichsam
nur anhenckendem Nachklange geformieret.”
=
Superiectio/Figurae superficiales.
c) Marpurg: Nachschlag.
d) Carl Philipp Emanuel Bach: Langer Vorschlag.
e) Leopold Mozart: Langer Vorschlag.
ANABASIS Prononciert aufwärts führende melodische Bewegung, auch bei entsprechenden
Textstellen. Bei mehrmaliger Wiederholung auf jeweils anderer (höherer) Stufe:
Climax. Gegensatz: Katabasis.
ANADIPLOSIS Emphatische Wiederholungsfigur, z.B. „singet und rühmet, rühmet und lobet!”.
a) Vogt: Wiederholung einer SchluĂźwendung am Beginn eines neuen Abschnittes.
b) Auch als doppelte Mimesis
definiert, bzw. als eine der vier Formen des Noema.
c) Vgl.
Epanadiplosis, Complexio.
ANALEPSIS Aufeinanderfolge zweier Noemata, die im Unterschied zur Mimesis
auf gleicher Tonhöhe stehen. Vgl.
Epanalepsis, Repetitio.
ANAPHORA a) In der Rhetorik die Wiederholung eines Wortes zu Beginn aufeinanderfolgender
Satzabschnitte oder Sätze.
b) Eine Form der Fuge, worin
ein Thema in einigen, aber nicht allen Stimmen
wiederholt wird.
c) Burmeister 1606:
DurchfĂĽhrung (Wiederholung) eines soggetto nur in einigen Stimmen.
d) Thuringus 1625: Ostinate FĂĽhrung des Basses, z.B. in Chaconnas.
e) Nucius 1613: =
Repetitio.
ANAPLOKE In mehrchörigen Sätzen wird ein Noema
ein- bis mehrmals so wiederholt: mit Clausula des Chori I erklingt der Beginn des Noema in Choro II (Rhetorik:
Ploke).
ANTICIPATIO Vorausnahme:
a) Vorherige Andeutung einer folgenden Harmonie; der verfrĂĽhte Eintritt bewirkt eine Dissonanz (Harmonielehre!).
b) ”Pathetische” (Moser), eigentlich rhythmische
Vorausnahme. Durch
den Ausdruck bedingtes verfrĂĽhtes Eintreten.
c) Vorausnahme der folgenden Melodienote innerhalb des
Wertes der vorangegangenen Note, oft bei der vorletzten Note einer Schlußkadenz mit Triller. Verzierung besonders des 17. Jahrhunderts: „
Anticipatio della nota”.
d) Ist die Anticipatio an die vorangehende Note gebunden
(Nachschlag), heiĂźt sie Aspiration, Plainte, Chute.
„Anticipatione della sillaba” ist eine Art des Vorschlages in der
barocken Gesangspraxis, wird an die folgende Hauptnote gebunden und nimmt deren Textsilbe voraus.
ANTITHETON „Ich schlafe, aber mein Herz wachet”. Kontrast zwischen Thema und Gegenthema
(simultan).
Abschnittskontraste im Wechsel der Bewegung, Klanglagen und
-gruppen, polyphon-homophon, Dur-Moll, Chromatik-Diatonik (successive).
APOKOPE Elision eines Buchstabens oder einer Silbe am Wortende.
Burmeister
1606: Unvollständige Fuga, d.h. das Imitationsmotiv erfährt in einer
Stimme eine VerkĂĽrzung, wird also nicht immer ganz
durchgefĂĽhrt.
Thuringus 1625: VerkĂĽrzung des Finaltones.
Walther 1732: „Abgeschnappte Harmonie.”
APOSIOPESIS Oberbegriff fĂĽr Homoioteleuton und Homoioptoton. Unvermitteltes
Verstummen, auch Schweigen ohne formalen SchluĂź oder Kadenz. Vgl. aber
Homoioteleuton! Homoioptoton = Epistrophe. Siehe auch Abruptio und
Tmesis.
ASCENSUS „Aufstieg”. Gegenteil: Descensus.
AUXESIS siehe Climax.
BOMBO Aus mehreren raschen Tonwiederholungen bestehende Figur der Instrumentalmusik
(Vokalmusik: Triller). Auch
Schwärmer oder Rauscher (Türk 1789) genannt. Keine
eigentliche rhetorische Figur, sondern eher Setzmanier, wie etwa der „springende
Schwärmer” bei Marpurg (1755).
CADENTIA Bernhard: Ungewöhnliche Dissonanzvor den Schlußnoten einer Kadenz.
DURIUSCULA
CATABASIS „Abstieg”. Deutlich sich abhebender Abwärtsgang einer Stimme zur bildhaften
Darstellung von
„Hinabfahren”, „Hölle”, „Erniedrigung”, „Knechtschaft”. Vgl.
Paronomasia. Gegensatz:
Anabasis.
CATACHRESE a) Dissonanz wird auf außerordentliche oder harte Art aufgelöst. Rhetorik.
Verwendung eines Wortes in einer anderen als seiner eigentlichen Bedeutung.
b) Synkopendissonanz wird nicht
durch folgende Konsonanz eine Sekunde tiefer
aufgelöst.
c) Fälschliche Verwendung der Quarte als Unterstimme eines Zusammenklanges.
d) Bernhard 1606:
Syncopatio catachrestica.
CERCAR DELLA Gesangsverzierung des 17. Jahrhunderts mit der ersten Textsilbe (vgl. Anticipatio).
NOTA
CIRCULATIO Kreisende Melodiebewegung, angewandt bei Wörtern wie „Erde”, „Krone”, etc.
a) Circolo
mezzo: Doppelschlag. „4 Noten bilden beim Schreiben einen halben
Kreis”(Printz 1696), wobei auf- oder absteigend entweder die 1. und 3. oder die 2. und 4. Note denselben Ort haben.
b)
Circolo: „Zweene Circoli mezzi also aneinander gehänget..., daß, so sie
übereinander gesetzt werden sollten, sie einen vollkommen Circul darstellen würden.” (Walther 1732).
CLIMAX „Steigerung”.
Wiederholung eines Melodieabschnittes in derselben Stimme eine Sekunde höher (= Spezialfall der
Synonymia). Als Gradatio
Sequenz, dabei
Climax = Auxesis. Siehe auch Ascensus.
COMPLEXIO Die Wiederholung am Melodieende oder eines ganzen musikalischen Abschnittes
vom Anfang (Nucius).
Kircher: =
Symploce.
Gottsched: =
Epanalepsis.
Vogt: =
Epanadiplosis.
COMMISSURA Durchgangsdissonanz.
a) Burmeister: Als Figur nur im wert einer Minima (Hälfte des Taktes).
b) Bernhard:
Transitus irregularis ähnlich dem Quasitransitus; eine mit
der
Multiplicatio verbundene Art im rezitativischen Stil.
c) Allgemein auch Wechselton (Wechselnote).
COMMISSURA CADENS Transitus regularis
: Thesis konsoniert, Arsis dissoniert.
COMMISSURA DIRECTE Transitus irregularis
: Auflösung einer dissonierenden Thesis in die Arsis.
CONGERIES Ein 5-3 - Akkord bewegt sich nach 6-3 und wieder zurück, auf- und abwärts.
CONGERIES DEFICIENTES Rhetorik: Häufung von Worten und Sätzen gleicher Bedeutung.
Musik: Häufung vollkommener und unvollkommener Konsonanzen in
gleichgerichteter Bewegung. Stufenweises Fortschreiten der
Stimmen in
mehrfachem Wechsel von Dreiklang und Sextakkorden auf- und
abwärts. (Burmeister 1606).
CONGERIES SUPERFLUAE siehe Congeries deficientes.
DOPPELSCHLAG siehe Circulatio.
EKPHONESIS = Exclamatio.
ELLIPSIS Auslassung oder Verschweigung einer Konsonanz, wenn anstelle dieser eine Pause
gesetzt wird, worauf
eine Dissonanz folgt (Walther, Tab. X/F.5). Vgl. Abruptio.
EPANADIPLOSIS siehe Complexio.
EPANALEPSIS Rhetorik: Die Wiederholung des Anfangswortes am Ende desselben Satzes; oder
auch kurz darauf, beim Schlusse des ganzen Satzes (Gottsched,
Walther).
Musik: Die emphatische Wiederholung einer Tongruppe zu Beginn einer Periode
an deren Ende. Siehe Complexio und Symploke.
EPISTROPHE „Umwendung”. a) Die emphatische Wiederholung eines Satzteils am Ende
aufeinanderfolgender Wortgruppen, z.B. „singet dem Herren,
rühmet den Herren, lobet den Herren!”
b) Gleiche SchluĂźwendung aufeinanderfolgender Melodieteile.
c) Kircher: =
Homoioptoton.
EPIPHORA = Epistrophe.
EPIZEUXIS „Zusammenfügung”. Wiederholung eines Wortes oder einer kleinen Wortgruppe in
unmittelbarer
Aufeinanderfolge, verbunden mit einer gleichbleibenden Tongruppe,
deren Wiederholung auf höherer oder tieferer Stufe erfolgen kann.
EXCLAMATIO „Ausruf”.
Walther 1732: Aufwärtsspringende kleine Sext.
Scheibe 1745: Konsonierend oder dissonierend je nach freudigem oder traurigem Affekt.
Mattheson 1739: Mehrere Arten.
Nach allgemeiner Praxis können alle melodischen Sprünge auf-
und abwärts, die größer als eine Terz sind, den Charakter der
Exclamatio annehmen. Als dissonanter Sprung wird sie zuweilen
Saltus duriusculus genannt.
EXTENSIO „Ausdehnung”. Verlängerung einer Dissonanz über ihre reguläre Dauer. Vgl.
Multiplicatio.
FAUXBOURDON Parallelbewegung in Terzen und Sexten. Als Figur bei Burmeister 1606 und
Thuringus 1625.
FUGA ALIO NEMPE
SENSU
a) Burmeister 1606: „Dient dazu, aufeinanderfolgende Handlungen auszudrücken”:
b) Janowka 1701: „Fuga in anderem Sinne”.
Eine Figur, die durch schnelle, flĂĽchtige Bewegung einer oder
mehrerer Stimmen gebildet
wird. Verwendet bei Wörter, die ein
Fliehen ausdrĂĽcken. Kein Zusammenhang mit der Fugenform.
FUGA IMAGINARIA = Kanon.
FUGA REALIS Regelhafte Fugenimitation.
GRADATIO Siehe Climax.
GROPPO Form des Doppelschlages.
HETEROLEPSIS „Ergreifen eines anderen Gegenstandes”.
Bernhard: Unregelmäßige
Dissonanzbildung oder -auflösung durch Springen zu
einem Ton, der regelmäßig nur in einer anderen stimme erscheinen kann.
Walther: „...wenn
eine Stimme aus einer andern bisweilen einen Clavem hinweg
nimmet, und den ihrigen unterdaß jener beraubten Stimme zukommen läßet”.
HOMOIOPTOTON Siehe Aposiopesis, Epistrophe.
HOMOIOTELEUTON „Das Gleichende”. Art der Aposiopesis.
Walther: „Generalpause, die in der Mitte eines Stückes, vermittelst einer
vorhergehenden Final-Cadenz … gemacht wird”.
Siehe auch
Abruptio.
HYPALLAGE „Veränderung”.
Rhetorik:
Durch Vertauschen der grammatischen und semantischen Beziehung eines Adjektivs, z.B. „des Knaben lockige Unschuld” (Umkehrung der Zuordnung).
Musik:
Fugenimitation in Gegenbewegung = umgekehrte Intervallanordnung (Gegenfuge).
HYPERBATON „Wortversetzung”. Versetzung eines Tones oder Motivs in eine andere Lage. Aus
der Art und Heftigkeit des Affektes zu erklären.
HYPERBOLE „Überwerfung”.
Rhetorik: Übertreibung, z.B. „in Tränen zerfließen”.
Musik: a) Verlassen des Notenliniensystems nach oben. Darstellung der Höhe.
b) Ăśberschreiten des Ambitus eines Modus.
HYPOBOLE „Unterwerfung”. Unterschreiten des Notenliniensystems. Darstellung der Tiefe.
HYPOTYPOSIS Sammelbezeichnung vieler Figuren, welche die Aufgabe des „Abschilderns” haben
(Wortmalerei).
INCHOATIO IMPERFECTA Harmonisches Anfangsintervall, das nicht perfekt ist.
INTERROGATIO „Frage”.
Bernhard:
„Die Fragen werden gemeinsamem Brauche nach am Ende eine Secunde
höher als die vorhergehende Sylbe gesetzt.”
MAIUS SYMBLEMA Dissonanz in der zweiten Hälfte eines Halbtaktes im Wert einer Minima. Siehe
Symblema = Commissura und Parrhesia.
METABASIS „Überschreitung”. Wechselseitiges Sichübersteigen zweier oder mehrerer Stimmen
= Transgressus.
METABOLE = Mutatio.
METALEPSIS „Vertauschung”.
a) Das
Folgende ist nur in Verbindung mit dem Vorausgegangenen (und umgekehrt)
zu verstehen.
b) Fuge mit zwei Themen (Burmeister 1606).
MIMESIS „Nachahmung”.
a) Aufeinanderfolge zweier
Noemata, deren zweites im Unterschied zur Analepsis
in veränderter Stimmlage erscheint.
b) „Wenn ein gewisses Thema in einer Stimme immer wiederholt wird.” (Walther).
MORA „Verzögerung”. Siehe Retardatio.
„Umgekehrte
Syncopatio” (Bernhard).
MULTIPLICATIO „Vervielfältigung”. Aufteilung einer Note (bei Bernhard und Walther: einer
Dissonanz) in mehrere kleinere Notenwerte. Vgl. Extensio.
MUTATIO „Veränderung” = Metabole (ursprüngliche Bezeichnung).
Plötzliche klangliche Veränderung aus expressiven Gründen.
a) Mutatio per genus: Wechsel des Klanggeschlechtes.
b) Mutatio per systema: Wechsel der Tonlage.
c) Mutatio per modum vel tonum: Wechsel der Tonart.
d) Mutatio per melopoeiam: Wechsel der Manier.
NOEMA „Gedanke”. Hervorhebung eines (Text-)Höhepunktes durch einen homophonen,
nur aus Konsonanzen bestehenden Abschnitt innerhalb einer polyphonen Komposition. Rhetorik: Sentenz, deren Bedeutung aus dem Gesamtzusammenhang erschlossen werden muĂź. Ableitungen.
Anadiplosis, Analepsis, Anaploke,
MIMESIS
PALILLOGIA „Wortwiederholung”. Wiederholung eines Melodieabschnittes oder dessen Anfanges
in derselben Stimme und in der gleichen Tonhöhe.
PAREMBOLE „Einfügung”.
Rhetorik: Satz oder Satzteil, der ohne Gefährdung von Sinn und Zusammenhang der Rede weggelassen werden kann.
Musik: Einfügung, die im Verband mit anderen thematischen Stimmen nichts zur Fuge beiträgt, sondern nur die zwischen den anderen Stimmen freigebliebenen Konkordanzplätze ausfüllt. Dadurch werden klänge vermieden, denen Dreiklangstöne fehlen (Füllstimmen).
PARONOMASIA „Bedeutungsabweichung”.
Rhetorik:
Zwei klangähnliche, aber bedeutungsverschiedene Wörter, z.B. „mit Rat
und Tat”. Bei Gottsched 1751 auch die Wiederholung eines Wortes oder Satzteiles „mit einem Zusatze, der noch einen besonderen Nachdruck verursacht”, z.B. „ein Baum war’s, nur ein Baum”.
Musik: „… Diese Zusätze können theils einzelne Töne betreffen, theils aber auch
durch einen stärkeren oder verminderten Vortrag bewerkstelligt werden.”
Vgl.
Passus duriusculus.
PARRHESIA „Redefreiheit”.
Rhetorik: Eine verhaĂźte sache
frei heraus sagen, aber auf erträgliche Art vortragen
(Gottsched).
Musik: Harmonisch und melodisch der Gebrauch verminderter und übermäßiger
Intervalle („relationes non harmonicae”, Querstand), doch daß es keinen
Ăśbellaut verursachet (Walther 1732). zur Darstellung des Verderbten,
SĂĽndhaften, Schwankenden, Widrigen.
PASSAGIO = Variatio. Ein Abschnitt vokaler Verzierungen, den Text hervorzuheben.
PASSUS „Ein etwas harter Gang”. Querstand.
DURIUSCULUS a) Wenn eine stimme einen Halbton steigt oder fällt; vgl. Paronomasia.
b) Wenn in einer Stimme übermäßige Sekunde, verminderte Terz oder
(sekundmäßig verminderte und übermäßige Quarte und Quinte vorkommen.
c) Häufigste Form ist der chromatische Quartgang, in welchem sich das Regelwidrige
und Affektvolle (Pathopoiia) zu einer der ausdrucksstärksten Figuren der Musica
Poetica verbinden. Verwandt: Saltus duriusculus.
PATHOPOIIA ”Erregung der Leidenschaften”. Einführung von Halbtönen, die nicht zur Tonart
des StĂĽckes
gehören. Für Wörter wie „weinen”, „Schmerz”, „miserere” etc. Bei
Bernhard heiĂźt die Figur Passus duriusculus.
PLEONASMUS „Überfluß”.
Rhetorik: „Nasser Regen”, „einen Traum träumen”, etc.
Musik: Ausweitung einer Klausel mittels dissonierender Durchgangstöne
(Commissura) und Synkopierungen (Syncopatio).
POLYPTOTON „Mit vielen Fällen (casus)”.
Wiederholung einer Melodiewendung auf anderer Tonhöhe und mit veränderter
FortfĂĽhrung.
POLYSYNDETON „Reihung synonymer Glieder mittels Konjunktionen”. Wiederholung einer
Melodiefloskel auf derselben Stufe zur Steigerung einer Aussage oder eines Affektes.
PROLONGATIO Verlängerung einer normalen Dissonanzdauer durch Anbindung oder
Durchgangsnote.
REPETITIO = Anaphora. Vgl. Analepsis.
RETARDATIO „Verzögerung, Aufhaltung”. Bei Bernhard 1606 Mora. Später Begriff des
Vorhaltes. Auflösung einer Dissonanz in die obere Sekunde. Bei Walther 1732 auch
die
Bedeutung einer Resolutio mediata, bei welcher zwischen Dissonanz und
Auflösung andere Töne eingeschoben sind. Vgl. Pleonasmus.
SALTUS
„Etwas harter Sprung”. Melodiesprung über eine Sexte, Septime oder ein
DURIUSCULUS
vermindertes/übermäßiges Intervall. Vgl. Passus duriusculus und
Exclamatio
SUPERIECTIO „Überwurf”. Bedeutet eine Appoggiatura bzw. üblichen Vorschlag.
SUSPIRATIO „Seufzer”. Abbruch der Melodie durch Pausen (Textdarstellung).
SYMPLOCE „Verflechtung”. Wiederholung des Anfanges einer Periode an deren Ende (Nucius).
Bei Burmeister die gleichzeitige Verwendung von # und b in einem Zusammenklang.Vgl.
Complexio, Epanadiplosis, Epanalepsis.
SYNCOPATIO Im weiteren Sinne wie Synkope: konsonante EinfĂĽhrung, Dissonanz auf betonter
Zeit,
Auflösung durch Sekundschritt abwärts. Als Synhaeresis und Ligatura
in die Figurenlehre einbezogen. Vgl.
Multiplicatio, Pleonasmus, Prolongatio,
Quasi-Syncopatio (Auflösung mit vorausnehmendem Portament), Retardatio
und
Catachrese.
SYNCOPATIO CATACHRESTICA Synkopendissonanz wird nicht durch folgende Konsonanz, die eine Sekunde tiefer
liegt, aufgelöst.
SYNCOPE Normale Zusammenziehung.
SYNHAERESIS „Zusammenziehung” zweier Silben auf einen Ton oder zweier Töne auf eine Silbe
(Vogt). Burmeister: = Syncope.
SYNONYMIA Wiederholung eines Melodieteiles auf verschiedenen Tönen in derselben Stimme
(Walther). Wie später Sequenz.
TIRATA ”Zug”. Verzierung , die als diatonischer Lauf auf- oder abwärts zwei übergeordnete
Melodietöne miteinander verbindet oder nach kurzer Pause auf einen akzentuierten, längere anhaltenden Melodieton hinzielt („Pfeil”, „Spießschuß”).
Tirata piccola: Terzumfang.
Tirata mezza: Quart- und Quintumfang.
Tirata defectiva: Sext- und Septimumfang.
Tirata perfecta: Oktavumfang.
Tirata excedens: Umfang größer als Oktave.
TMESIS „Trennung, Zerschneidung” eines textlichen oder musikalischen Zusammenhanges
durch eine Pause = Suspiratio
. Vgl. Abruptio.
TRANSGRESSUS Siehe Metabasis.
TREMOLO Zittern, z.B. bei Furcht.
TRILLO a) Wie Tremolo
, besonders, wenn es, wie Conforti 1593 angibt, auf einem Ton
(aber mit Nachschlag) ausgefĂĽhrt wird.
b) Emphatische Hervorhebung einer Melodienote.
VARIATIO Bernhard 1606: „Anstatt einer großen Note (eilen) mehr kleinere durch allerhand
Gänge und
Sprünge zu der nächstfolgenden Note.” (= Passagio)
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